Bin ich ein Künstler?


Als Selbständiger ist es nicht immer so einfach zu definieren, was man beruflich ist oder darstellen will. Nicht, weil man es selbst nicht definieren kann, sondern weil das Umfeld etwas anderes annimmt oder in einem sieht als man selbst.

Ich habe eben diesen tollen Artikel gelesen (https://medium.com/@JessicaLexicus/fatal-mistakes-every-artist-should-avoid-db846fea146f), der Tipps gibt, wie man sich als Künstler NICHT verhalten sollte. Einer der Punkte sagt, dass man sich nicht als "Künstler" vorstellen soll – vor allem dann nicht, wenn man eigentlich als Geldjob etwas anderes macht.
Dem stimme ich vollkommen zu. Man versucht damit ein Bild von sich zu kreieren, das der Realität nicht entspricht. Denn genauso wie wir selbst, hat auch unser Umfeld eine Phantasie-Vorstellung davon, wie das Leben eines bestimmten Berufs aussieht. Auch ein Künstlerleben stellen sich die Leute auf ganz bestimmte Weise vor.
Wenn das eigene Leben überhaupt nicht dem Bild entspricht, braucht man sich auch nicht "Künstler" nennen. Ich möchte jemanden so kennenlernen, wie er in dem Moment ist. Egal wie weit er auf seinem Weg vorangeschritten ist, ob Künstler oder Handwerker oder Laborassistent oder Friseur.

Was MACHT jemand den ganzen Tag? DAS interessiert mich. Mich interessiert nicht so sehr, was jemand gern sein würde, sondern was er ist.

Vor ein paar Jahren war ich mit jemandem befreundet, der sich immer als Schauspieler oder Sänger oder ... vorgestellt hat. Sein Job war aber ein anderer. Ja, er hat geschauspielert, ja er hat gesungen. Aber keines von beidem war sein aktueller Beruf.
Er hat auch mich aufgefordert, von mir als Schauspielerin zu sprechen, oder als Künstlerin.
Aber ich habe mich nicht so empfunden.
Nicht zum damaligen Zeitpunkt.

Auch jetzt sehe ich mich nicht als Schauspielerin. Das wäre der Fall, wenn ich mit Schauspiel mein Geld verdienen würde. Das tue ich nicht. Ich schauspielere in meiner Freizeit.

Bei dem Wort "Künstlerin" werde ich aber langsam entspannter. Früher habe ich mich massiv dagegen gewehrt, aber heute wird der Widerstand schwächer. Denn ja, Theater ist Kunst – auch Amateurtheater. Und damit verdiene ich mein Geld.
Zum Großteil definiere ich mich beruflich als Theaterpädagogin, vielleicht noch als Trainerin.

Wenn ich aber auf mein ganzes Leben zurückblicke, auf all das Künstlerische, was ich von klein auf produziert habe, muss ich zugeben, dass ich auch Künstler bin.
Für mich war ein Künstler immer jemand, der ein inneres, emotionales Bedürfnis hat, das er ausdrücken will – über seine Kunst.
So habe ich mich nie gesehen.
Doch was ich ausdrücken möchte, sind Phantasien. Ich möchte durch meine Inszenierungen lebendige Bilder kreieren, die ich selbst als schön oder aufregend oder geheimnisvoll oder komisch empfinde. Und diese Bilder will ich mit anderen teilen.

Vermutlich ist das Kunst.
Dann bin ich wohl Künstler.

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